Was Bücher erfolgreich macht: mehr als Buschfunk und Fata Morgana?

Denkanstöße für die Buchbranche und neue Impulse für die Bestsellerforschung: Damit präsentiert sich Kodex. Jahrbuch der Internationalen Buchwissenschaftlichen Gesellschaft im besten Licht. Die zweite Ausgabe des Periodikums versammelt dreizehn höchst informative Beiträge von Wissenschaftlern, Verlagsangehörigen und Publizisten zum Thema „Bestseller und Bestsellerforschung“.

Denkanstöße für die Buchbranche und neue Impulse für die Bestsellerforschung: Damit präsentiert sich Kodex. Jahrbuch der Internationalen Buchwissenschaftlichen Gesellschaft im besten Licht. Die zweite Ausgabe des Periodikums versammelt dreizehn höchst informative Beiträge von Wissenschaftlern, Verlagsangehörigen und Publizisten zum Thema „Bestseller und Bestsellerforschung“.

Zunächst durchforstet Rainer Schmitz Begriffe und bisherige Ergebnisse der Bestsellerforschung, um dem „Mythos“ auf die Spur zu kommen. Sein Überblick fächert das Thema anschaulich auf und endet mit der Erkenntnis, „dass das sicherste und wirksamste Muster des Erfolgs der Buschfunk ist“.

Mit den verschiedenen Forschungsansätzen setzt sich Vincent Kaufmann in seinem „Beitrag zu einer unmöglichen Theorie des Bestsellers“ auseinander. In ökonomischer, soziologischer und mediologischer Hinsicht zeigt er Widersprüche auf und findet, dass – ähnlich einer Theorie des ästhetischen Werts – eine Theorie der Bestseller letztlich eine „wissenschaftliche Fata Morgana“ bleibt. Anhand von Beispielen wie Feuchtgebiete macht er deutlich, dass sich der Erfolg von Bestsellern heute oft an ihre Intermedialität knüpft.

Sophie Rudolph schreibt in „Ökonomien der Adaption“ über Literaturverfilmungen und den Weg vom Bestseller zum Blockbuster. Dabei beleuchtet sie Strategien und Veranstaltungen, durch die Akteure des Literaturbetriebs und der Filmbranche zusammenkommen, um „mit Geschichten zu handeln“. Und sie wundert sich über den ungenierten Umgang mit Begriffen wie Container und Content, „als handele es sich bei den Medien Buch, Film und Computerspiel um eben nichts anderes als verschiedene Behälter, für die man nur den richtigen Inhalt, also eine gute Geschichte, finden muss“.

Ein Beitrag behandelt „Kulturförderung als Event“ und die Mechanismen, nach denen Literaturpreise mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Franziska Mayer zeichnet genau die Vergabe- und Verleihungsrituale nach sowie die Unterschiede in der öffentlichen Rezeption, etwa beim kurzlebigen Internationalen Buchpreis Corine oder beim Bachmann-Wettbewerb. Mit Long- und Shortlists wie beim Deutschen Buchpreis werde Komplexität stufenweise reduziert, so die Autorin. Das schaffe Orientierung, fördere aber zugleich eine Verengung des Titelspektrums.

Interessant sind auch die Ausführungen von Slávka Rude-Porubská zum „Phänomen fremdsprachiger Belletristik im Original auf dem deutschen Buchmarkt“ und der Aufsatz von Ulrich Schmid über „Bestseller in Russland“. Dieser entwirft ein differenziertes Bild von Verlagsstrukturen, verbreiteten Genres und inszenierten Bestsellern in postsowjetischer Zeit.

Den Buchmarkt in Lettland und in Italien stellt Stephanie Kurschus dar. Sie geht auf typische Symptome des Wandels ein und schildert Initiativen zur Leseförderung.

Mit dem „Erfolg von Thriller- und Ratgeberliteratur aus vergnügungstheoretischer Sicht“ beschäftigt sich Gerda E. Moser. In ihrem Artikel untersucht sie den Erlebnischarakter erfolgreicher Bücher, etwa Stieg Larssons Verblendung, und fragt nach ihren Bedeutungen für das Lesepublikum.

Unter dem Titel „Zur Produktion, Distribution und Rezeption von Heftromanserien, 1919–1939“ probiert Gudrun Weiland eine »historische Rekonstruktion des Medienhandelns im Subfeld der Massenproduktion« und zeigt, wie Populärliteratur des Schlages Frank Allan. Der Rächer der Enterbten oder John Klings Erinnerungen produziert, vertrieben und rezipiert wurde.

Vanessa Werner nimmt sich die Erfolgsgeschichte von Thilo Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab vor. Dieses „meistverkaufte politische Sachbuch des Jahrzehnts“ profitierte neben der provokanten Ansprache tabuisierter Themen besonders von der Bekanntheit des Autors, vom hohen medialen Interesse und vom günstigen, weil nachrichtenarmen Zeitpunkt der Veröffentlichung.

Doch wie sieht es mit Bestsellern bei digitalen Büchern aus? Harald Henzler legt dar, wie sich die gängigen Begriffe, Distributionswege und Geschäftsmodelle verändern und warum eine Neuinterpretation notwendig ist.

Zum Schluss gibt es drei Interviews von Michael Muselmann „Über die Entstehung von Bestsellern in der Belletristik“, unter anderem mit Andrea Maria Schenkel. Und Muriel Schindler interviewt die Schweizer Bestsellerautoren Lukas Hartmann und Rolf Dobelli.

Für Büchermenschen bietet dieser Band eine gelungene Zusammenstellung zu aktuellen und grundsätzlichen Fragen des Buchmarkts und dazu eine anregende Lektüre. Sehr empfehlenswert! Und nicht zu vergessen: „Jedes Buch hat seine eigene Biographie, ist ein eigenständiges Experiment.“ (Rainer Schmitz)



Marion Voigt, Zirndorf

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